VUCA war gestern

Unternehmen erklären gerne ihr Unvermögen auf aktuelle Ereignisse zu reagieren damit, sich in einer VUCA Welt zu befinden. Um diese These prüfen zu können, soll in diesem Beitrag zunächst der Begriff VUCA geschichtlich im gesellschaftlichen Kontext untersucht werden. Heutzutage wird das Akronym VUCA verwendet, um schwierige Rahmenbedingungen der Unternehmensführung zu beschreiben. Ursprünglich wurde der Begriff in den 1990er Jahren am United States Army War College (USAWC) geprägt, um die neue multilaterale Wirklichkeit nach dem Ende des Kalten Krieges zu beschreiben. Der militaristischen Begriff VUCA beschreib also das systemische "Unvermögen" einer Gesellschaft Ereignisse zu verorten. [VUCA - Wikipedia]

Der historische Kontext von VUCA ist also im Zusammenbruch der UDSSR zu finden: "Der Zerfall der Sowjetunion war ein mehrjähriger Prozess der Desintegration der föderalen politischen Strukturen sowie der Zentralregierung der Sowjetunion (UdSSR), der mit der Unabhängigkeit der 15 sowjetischen Unionsrepubliken zwischen dem 11. März 1990 und dem 25. Dezember 1991 seinen Abschluss fand." [Zerfall der Sowjetunion - Wikipedia] Im Jahre 2007 veröffentlichte die CIA folgenden Kommentar zu diesen Ereignissen aus Sicht des Nachrichtendienstes: "Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen machten es unvermeidlich, dass etwas passieren würde. Dies wurde von der CIA eindeutig gemeldet. Was tatsächlich geschah, hing von Menschen und Entscheidungen ab, die nicht unvermeidlich waren.“ [https://www.cia.gov/library/center-for-the-study-of-intelligence/csi-publications/books-and-monographs/cia-assessments-of-the-soviet-union-the-record-versus-the-charges/happen.html]. Grundsätzlich sind Systeme in ihren Eigenschaften erkennbar und damit sind auch die Reaktionen des Systems vorhersagbar. Der Zerfall der Sowjetunion zeigte jedoch einen neuen Aspekt auf, der bis dato unerkannt war. Ereignisse die das System selbst verändern, können zwar ebenfalls erkennbar sein, jedoch eine Vorhersage, was durch diese fundamentale Systemänderung passieren wird, ist sehr schwer bis unmöglich. Dieser Aspekt war neu und bedurfte einer neuen Terminologie: „VUCA“. So führte der Schock über das Zusammenbrechen der UdSSR zu einer dramatischen Änderung innerhalb der US-Armee der bis heute wegweisend für das Verhalten der US-Armee ist.

Bei genauerer Betrachtung des heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems lassen sich jedoch keine fundamentalen systemischen Änderungen wie sie z.B. 1990 oder auch 1918 herrschten erkennen und die Anwendung des Begriffes VUCA auf die heutige Zeit ist damit nicht korrekt. Wie würde also eine "wirkliche" VUCA Unruhe auf Gesellschaftlicher Ebene aussehen?

“Die beginnende Auflösung der alten Welt durch Säkularisation und Mediatisierung nach dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 und das Erlöschen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen mit der Errichtung des Rheinbundes 1806 leiteten den Zerfall einer Jahrhunderten bestehenden, zuletzt zunehmend als Anachronismus empfundenen, aber doch immer noch die mentalen Horizonte prägenden politisch-sozialen Ordnung ein “[Aus: das lange Jahrhundert].

Die Umbrüche dieser Zeitspanne kann anhand der Lebensspanne von Alexander von Humboldt 1769 - 1859 aufgezeigt werden:

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Mit der Zeittafel kann nun das Zitat “Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur” (nicht wörtlich Zitiert) seinen Kontext finden:

„Im selben Jahr wie Napoleon Bonaparte (1769) geboren, wuchs Humboldt in eine zunehmend globale und zugängliche Welt hinein. Da passt es gut ins Bild, dass wenige Monate vor seiner Geburt die erste internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit stattgefunden hatte: Astronomen aus Dutzenden Ländern hatten ihre Arbeit koordiniert und ihre Beobachtungen zum Venustransit ausgetauscht. Man hatte endlich entdeckt, wie sich die Längengrade berechnen ließen [Erst als James Cook 1775 nach der Heimkehr von seiner zweiten Weltreise die Brauchbarkeit des time keepers begeistert lobte, den Larcum Kendall in Harrisons Auftrag als exakte Kopie der Uhr von 1759 gebaut hatte, galt auch den meisten Astronomen das Längenproblem als gelöst.  -Wikipedia Längenproblem] ,und die weißen Flecken auf den Landkarten wurden rasch ausgefüllt.

Die Welt verändert sich. Kurz bevor Humboldt sieben Jahre alt wurde, erklärten amerikanische Revolutionäre ihre Unabhängigkeit, unmittelbar vor seinen zwanzigsten Geburtstag 1789 begann die Französische Revolution. Deutschland befand sich noch immer unter dem Dach des Heiligen Römischen Reiches [es bildete sich im 10. Jahrhundert unter der Dynastie der Ottonen aus dem ehemals karolingischen Ostfrankenreich heraus. Mit der Kaiserkrönung Ottos I. am 2. Februar 962 in Rom knüpften die römisch-deutschen Herrscher (wie zuvor die Karolinger) an die Idee des erneuerten Römerreiches an, woran bis zum Ende des Reiches zumindest prinzipiell festgehalten wurde. -Wikipedia Heiliges Römisches Reich].”

“Napoleon unterwarf Europa, und seine Truppen kehrten mit Wagenladungen voller Kunstwerke aus den eroberten Ländern zurück, die die Museen von Paris füllten. Berge von Kriegsbeute kamen so zusammen. In dieser Zeit lebten die wohlhabenden Pariser unbehelligt von der fortdauernden Kriegen. Die Stadt war eine gigantische Baustelle. Neue Paläste entstanden, und die Fundamente des Arc de Triomphe wurden gelegt. Die Bevölkerung wuchs unaufhaltsam.

Humboldt hatte beobachtet, wie Napoleon 1806 Preußen zerstörte, und nun, acht Jahre später, erlebte er den triumphalen Einmarsch der Alliierten in Frankreich. Es schmerzte ihn zu sehen, wie die Ideale der Französischen Revolution - der persönliche und politischen Freiheit -offenbar verloren gingen. Denn als die Alliierten in Paris eintrafen, wurde geplündert und geraubt - manches war gerechtfertigt aber noch häufiger waren es undisziplinierte Besatzungssoldaten.”

“Humboldt war es gewöhnt, zwischen den unterschiedlichen politischen Ansichten zu manövrieren. Fünfundzwanzig Jahre zuvor hatte er geschickt die reaktionären und revolutionären Positionen in Frankreich umschifft, ohne jemals seine Stellung zu riskieren. Humboldt beobachtete, wie sich die Revolutionen in den deutschen Staaten ausbreiteten. Es gab einen kurzen Augenblick, in dem die Reformen möglich schienen; aber der war fast so schnell vorbei, wie er gekommen war.

Humboldt war tief enttäuscht von den Revolutionen und Revolutionären. Zu seinen Lebzeiten erklärten die Amerikaner ihre Unabhängigkeit, verbreiteten aber immer noch die >> Pest der Sklaventums<<. Später verfolgte er wie die südamerikanischen Kolonien von der spanischen Tyrannei befreite, nur um sehen zu müssen das es zur Diktatur wandelte.

Und nun scheiterte sein eigenes Land so kläglich. Im Alter von achtzig Jahren schrieb er im November 1849, er würde sich auf die >>schale Hoffnung<< zurückziehen, dass der Wunsch der Menschen nach Reformen nicht für verschwunden sei. Obwohl dieser von Zeit zu Zeit >>in Schlaf zu fallen<< schien, hoffte er doch das vielleicht ja die nächste Generation erfolgreicher sein würde.”


Wir möchten das Buch von Franz Bauer  Das 'lange' 19. Jahrhundert (1789–1917): Profil einer Epoche  empfehlen.

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Wir möchten das Buch von Andrea Wulf Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur empfehlen.

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Thomas Winz