Zeitweiliges Unentschieden in Rom

Zitat ist aus dem Buch “Die Vereindeutigung der Welt” von Thomas Bauer entnommen:

Das Dilemma war nicht lösbar. Was sollte man also mit solchen Anfragen anfangen? Glücklicherweise hatte die Kurie ein Mittel parat, um solche Fälle zu lösen. Es hieß: Nihil esse respondendum -

Es soll keine Antwort gegeben werden. Nihil esse respondendum wurde also “zu einer vielfach verwandten Formel, wenn sich das Heilige Offizium mit dubia [Zweifeln] konfrontiert sah, bei denen sich ein tiefer Graben zwischen den Prinzipien der nachtridentischen Kirche, von denen die Kongregation nicht abrücken wollte, und den Zwängen der lokalen Verhältnisse eröffnete.

Anstatt die Anfrage einfach zu verschleppen, fasste man also einen formellen Beschluss - der darin bestand, zu beschließen, nichts zu beschließen - , ein virtuoses Ambiguitätskunststück, das heute mit unser weniger ambiguitätstoleranten Mentalität kaum mehr einleuchten kann. Ein Zurück zu den Nihil-esse-respondendum -Zeiten ist heute wohl kaum noch möglich.

Zum Autor:

Thomas Bauer untersucht diesen fatalen Hang, Bedeutungsvielfalt zu verdrängen, und zeigt die Konsequenzen auf, sollten wir uns auf diesem Weg der Veindeutung weiterbewegen wollen.

-- Thomas Bauer
Buch
Die Vereindeutigung der Welt
Seite 22
ISBN: 978-3-15-0119492-8